Samstag, 20. April 2013

Irgendwann


Irgendwann, bei schlechtem Wetter. Die Brüstung der Ballustrade hatte jemand mit einer Eisenstange durchbrochen. Schwere Steine plumpsten in den Fluss. In sein sich aufschichtendes Hochwasser. Irgendwann, in der Zeit nach dem Tauwetter, noch nicht Frühling aber nicht mehr Winter. Die Sonne hatte sich rar gemacht, nur am Abend zwischen sechs und sieben war ein schmaler Streifen ockerorange am Horizont zu sehen. Der Regen fiel dennoch in dünnen Schnüren und zerplatzte in Tropfen auf den Schirmen. Auf ein flammendes Rot. Tropfen perlten ab an seinem Rand. Irgendwo, in einer größeren Stadt im Osten, hatten sich Spaziergänger gesammelt, ungenau, transparent. Gingen sie vor dem Abend am Nachmittag aus der Stadt heraus. Petula hatte ihr Glück gewünscht. Ich wünsche dir Glück für diese Begegnung. Und bleib nicht zu lange fort. Doch sie blieb länger fort. Länger als zuvor. Ging durch einen hell erleuchteten Korridor, in ein Museum, in der eintausend Jahre europäische Kultur eingefangen waren. Blätterte Listen durch, fächerte irrisierende Bildflächen auf. Hände berührten sie dabei. Sie nahm auch sie wie Fächer wahr. Wollte sich einen davon greifen und sich dahinter verstecken. Es war schon lange nach der Zeit mit den altvertrauten Straßen, dem immer wieder sich abwenden, den dunklen Mänteln, dem flirrenden Schneegestöber in den Laternen, dem Davonlaufen. Der Zustand danach war ein anderer. Sie lief zuvor noch immer schneller. Bog sich manchmal tagelang aus. Lieh sich immer neue Existenzen, fächerte Masken auf und wieder weg von ihrem Gesicht. Das Gegenüber veränderte sich nicht. Sie nahm die Tram, den Zug, das Fahrrad, die eigenen Beine. Irgendwann war der Schnee verschwunden und die Gesichter sahen anders aus. Sie konnte etwas darin filtern. Die Begegnung gab sich ihr völlig hin. Sie nahm entgegen, was sie ihr bot. Mit einem Lachen und ohne nur zu kichern. Mit einem Lachen offenen Mundes. So dass alle ihre Zähne sichtbar wurden. Alle Fehler bekamen einen Platz. Nichts wurde ausgespart. Sie nahm sie nicht mehr als Fehler. Sinnliche Reizbarkeit. Sie wurde krank. Regenschnüre, viele Tage lang. Ein warmer Windschauer für einen kurzen Moment. Alle Farben waren blass. Aquarelltöne ineinander. In ein Museum, weit entfernt. Finger, die ihre berührten.